IT Berufsberatung

Als Administrator einer Hardware- und Software-Webseite wie PC-Erfahrung.de und als Berufstätiger, der mittlerweile seit fast 15 Jahren im IT-Umfeld tätig ist, werde ich oft von Berufseinsteigern nach Rat gefragt. Gerade IT-Berufe haben eine hohe Anziehungskraft, da gebetsmühlenartig Weisheiten wie "Computer sind die Zukunft", "in der IT findet man immer einen Job", "analog ist vorbei, ohne digital geht nicht mehr" und "in IT-Berufen sind die Gehälter hoch" gepredigt werden. Vieles an diesen Phrasen mag vielleicht stimmen, aber vieles davon ist bereits überholt, denn im Jahr 2015 ist die Goldgräberstimmung vergangener Tage lange vorbei, bei den einem mit etwas Computerwissen alle Türen offen standen.

Heute bietet die IT zwar weiterhin aufstrebende, innovative und zukunftsorientierte Berufe, aber nichtsdestotrotz muss man sich wie bei jedem anderen Beruf dieselben Fragen stellen, ob die Branche für den eigenen Lebenslauf geschaffen ist oder nicht. Denn nicht immer passt ein IT-Beruf zum ambitionierten Hobby PC-Bastler, der im Bekannten- und Freundeskreis regelmäßig PCs repariert und Software-Probleme löst, oder zum enthusiastischen PC-Spieler, der Hochleistungs-PCs zusammenstellen kann wie kein Zweiter.

Über mich:
Seit 2002 betreibe ich administrativ, technisch und redaktionell die Webseite PC-Erfahrung.de und beschäftige mich seitdem mit Webtechnologien und -Programmierung. Beruflich habe ich unterschiedliche Bereiche kennengelernt: beginnend im First-/Second-Level-Support und anschließender mehrjähriger Tätigkeit als System- und Netzwerkadministrator in einem global agierenden Unternehmen habe ich im Jahr 2011 den Quereinstieg in die Programmierung gewagt. Quereinstieg ist etwas übertrieben ausgedrückt, aber als ausgebildeter Fachinformatiker in Richtung Systemintegration hat die technische Leitung und Programmierung eines Online-Preisvergleichs ein völlig anderes Anforderungsprofil (Programmierung statt Administration).

Aktuell arbeite ich als IT-Berater in einem der weltweit größten IT-Dienstleister und entwickle an einer Single Sign On Lösung für ein bekanntes Verlagshaus. Hinzu kommen diverse Zertifizierungen, ein nicht abgeschlossenes Informatik-Studium und ein Studien-Abschluss Bachelor of Arts - Business Administration. Alles in allem Erfahrungen, die mich zum Schreiben dieses Artikels veranlasst haben.

Dieser Artikel soll alle angehenden Nerds und IT'ler bei der Berufswahl unterstützen. Anhand des eigenen Lebenslaufs und Erfahrungen versuche ich etwas Durchblick bei den IT-Berufen zu verschaffen, worauf es in IT-Berufen wirklich ankommt und für wen welche IT-Berufe geeignet sind.

Allgemeines zu IT-Berufen

Bevor wir zu Themen wie Ausbildung oder Berufsfeldern kommen, ein paar allgemeine Sätze zum IT-Umfeld. Beginnen wir direkt mit der positiven Nachricht: wer sich für einen IT-Beruf entscheidet, der trifft seine Wahl für einen zukunftsorientierten Beruf mit wachsender Anzahl an Beschäftigten. Die Prognose für das Jahr 2015 besagt, dass die Zahl der Beschäftigten im IT-Sektor um 4% auf nun mehr 785.500 Beschäftigte in Deutschland steigen wird.


Erwerbstätige in der ITK-Branche
Quelle bitkom

PC-/Büro-Arbeitsplatz

Wir IT'ler sind schon eine besondere Gattung. Wir gehen morgens an die Arbeit, sitzen 8 Stunden vor unserem PC, erledigen komplexe Aufgaben und so mancher Kollege aus den anderen Abteilungen hat sich schon gefragt, was die IT-Abteilung eigentlich den ganzen Tag macht. Bei all meinen Arbeitgebern habe ich solche Situationen erlebt. Was hierbei deutlich wird: IT bedeutet in der Regel ausschließliches Arbeiten am PC und ich persönlich störe mich gerade in heißen Sommertagen daran, bei über 30°C an meiner Entwicklungsumgebung zu sitzen und Programme zu schreiben. Wer eine kreative Natur ist, seine Arbeit lieber an der frischen Luft vollrichtet oder lieber anpackt anstatt geistige Arbeit zu vollrichten, für den ist die IT eher nicht geeignet.

Abstrakte Aufgabengebiete

Eine weitere Erkenntnis ist, dass IT-Themen nicht trivial sind und Kollegen, Mitmenschen und Vorgesetzte die Thematik nicht immer verstehen. Die Aussage "was macht Ihr eigentlich den ganzen Tag" ist in der IT nicht selten. Es ist also wichtig, dass man einerseits selbst Freude daran hat, sich in teils trockene IT-Themen einzuarbeiten, und es andererseits auch versteht, seine eigene Arbeit für Nicht-Technik-affine Menschen verständlich zu machen. Kurz gefasst: man muss seinem Chef und seinen Kollegen plausibel erklären können, warum die Einführung und Umsetzung einer neuen Technik erforderlich ist und dass diese enorm viel Zeit und Kosten verursacht.

Außerdem stehen wir nicht im Rampenlicht (das machen die Kollegen von der Werbeabteilung). Wir haben unsere Arbeit gut gemacht, wenn die Systeme laufen und keine Auffälligkeiten zu sehen sind. 

Denken statt körperliche Arbeit

In IT-Berufen ist man hauptsächlich gedanklich damit beschäftigt, Probleme und Aufgaben zu lösen. Man liest sich durch Manuals, Best Practise Anleitungen und Tutorials, versucht mit Kollegen theoretische Sachverhalte zu erörtern und kämpft am Computer, um die gesteckten Ziele umzusetzen. 8 Stunden und mehr am Tag steht das Gehirn unter Vollauslastung und die körperliche Bewegung fällt komplett weg. Tage, bei denen man mit Kopfschmerzen nach Hause kommt, sind keine Seltenheit. Wer es nach Feierabend nicht schafft, sportlich aktiv zu werden, merkt dies nach ein paar Jahren auch auf der Waage. Diese Aspekte sollte man berücksichtigen. 

Hülle und Fülle an Aufgaben

Wenn ich meine Skills anschaue, also die Erfahrungen und Techniken, die ich meiner beruflichen Laufbahn erlernt habe, bin ich manchmal selbst erstaunt. Das ist das absolut positive an der IT, denn für nahezu jeden ist eine Nische dabei, die ihm Spaß macht. Die Kreativen unter uns finden sich im Webdesign, Photoshop usw. wieder. Die pragmatischen Denker sind die perfekten Programmierer, wobei es hier auch unendlich viele Möglichkeiten gibt. Java, PHP, MySQL, jQuery, Frameworks wie Symfony oder Zend, Bootstrap, CSS: man könnte die Liste unendlich weiterführen.

Die Schattenseite ist: die Anforderungen an einen guten IT'ler sind hoch, denn er muss viele Techniken beherrschen und das braucht seine Zeit. Weder eine 3-jährige Ausbildung noch ein Studium sorgt dafür, dass man direkt in Berufsleben einsteigen kann. Man muss viel Herzblut hineinstecken, sich eigenständig Wissen aneignen und auch Freizeit investieren, um sich mit den vielen technischen Anforderungen auseinanderzusetzen. Selbst nach 15 Jahren in der IT und vielen unterschiedlichen Arbeitgebern fühle ich mich immer noch so, als müsste ich viel mehr Techniken beherrschen.

24/7 Erreichbarkeit

Wichtiger Tip: man sollte immer versuchen, die Verpflichtung für den Bereitschaftsdienst zu umgehen. IT-Systeme und Online-Dienste müssen rund um die Uhr erreichbar sein. Und wie es der Zufall nun einmal will fallen die Systeme zu den ungünstigsten Zeiten aus, nämlich mitten in der Nacht oder am Samstag beim wichtigen Bundesliga-Spiel. Zum Nachteil der verantwortlichen Administratoren, die dann aus den Betten geklingelt werden. Auch die telefonische Erreichbarkeit oder dienstliche Mails stören die persönliche Freizeit. Laut einer Bitkom-Studie sind mehr als 3/4 aller IT-Berufstätigen an Feiertagen erreichbar. Eigentlich ein No-Go!

IT Berufsfelder Netzwerk- und Systemadministrator, Entwickler, Support

Wer im privaten Bereich gerne einmal an PC's schraubt und glaubt, dass dies ausreichend ist, der täuscht sich. In einem Firmennetzwerk werden Arbeitsplatz-PCs als Komplettsysteme eingekauft und bei einem Defekt in der Regel komplett getauscht. Vergleichsweise selten gehören Hardware-Defekte zu den Arbeitsaufgaben. Vielmehr gehören firmenspezifische Anwendungen oder Bereitstellung von Ressourcen (Drucker, Netzlaufwerke, Berechtigungen, Mail usw.) zu den Anforderungen. Was ich damit sagen möchte ist, dass das Wissen aus der PC-Bastelei oder dem Casemodding im beruflichen Alltagkaum gebraucht wird. 

Grundsätzlich sollte man sich in eine der drei IT-Berufsfelder einordnen:

  • Fachinformatiker-Systemintegration
    Hierunter fallen klassische Berufe wie First-/Second-Level-Support oder System- und Netzwerkadministrator. Die meisten Hobby-PC-Bastler finden sich hier wieder, da hierunter typische Aufgaben wie Windows-/Linux-Netzwerke, Benutzerverwaltung, Active Directory, Software-/Hardware-Support fallen.
  • Fachinformatiker-Anwendungsentwicklung
    Wenn die Administration eher Randthemen sind und man Software lieber selbst entwickelt, findet man sich als ambitionierter Anwendungsentwickler wieder. PHP, JAVA, MySQL, C#, C++ usw. sind die Werkzeuge, die man sicher beherrschen wird. Viele angehende App- und Webentwickler entscheiden sich für Ausbildung zum Fachinformatiker-Anwendungsentwicklung.
  • IT-System-Kaufmann oder Informatikkaufmann
    Das sind eigentlich zwei unterschiedliche Ausbildungsberufe. Diese Jungs setzen selbst keine Projekte um oder entwickeln Programme, sondern sie organisieren den Einkauf und Verkauf von IT-Hardware- und -Software. Der Schwerpunkt liegt demzufolge auf betriebswirtschaftlichen Themen. Informatikkaufmänner sind die Projektleiter in Unternehmen, die Teams bei der Durchführung von IT-Projekten unterstützen. 

Weitere und detaillierte Informationen zu IT-Berufen findet man auf http://www.it-berufe.de/.

Der Einstieg: First-/Second-Level-Support

Nach der Ausbildung zum Fachinformatiker-Systemintegration war der Second-Level-Support für ein großes Firmennetzwerk mit 1200 Arbeitsplatz-PCs für mich der perfekte Einstieg in die Berufswelt, da man eine sehr große Vielfalt an Supportfällen, Anwendungen (unterschiedliche Programme, Tools usw.), Hardware (PCs, Netzwerkdrucker, Netzwerkkomponenten)  oder Konfigurationen (Benutzerrechte) zu bewältigen bzw. kennengelernt hat. Durch die tägliche Fehleranalyse unterschiedlichster Probleme lernt man den Zusammenhang typischer Hardware- und Software kennen, von dem ich bis heute profitiere. Auch der Dienstleistungsgedanke hat sich gefestigt, denn egal in welchem IT-Beruf man später unterkommt: wir sind Dienstleister für unsere Auftraggeber.

Zusammengefasst: der First-/Second-Level-Support ist für Hobby-PC-Bastler und Heimnetzwerk-Administrator am besten geeignet. Leider sind die Jobs nicht sehr gut bezahlt und man sieht sich einer hohen Konkurrenz ausgesetzt. Auch wenn man überdurchschnittlich viel Wissen im IT-Support benötigt, so sind die Anforderungen im Vergleich zu anderen IT-Berufen eher niedrig.

Netzwerk- und Systemadministrator

Der nächste logische Schritt geht in Richtung Administrator. Anstatt in einer vorgegebenen IT-Infrastruktur zu arbeiten, ist man als Administrator selbst für die Planung und Umsetzung der Firmenhardware- und -software zuständig. Soll Microsofts Active Directory für die Benutzerverwaltung genutzt werden oder eine Linux-Alternative? Wie werden Drucker für Arbeitsplatz-PCs zugewiesen? Werden Programme manuell installiert oder gibt es eine Software-Verteilung? Welches SQL-DBMS als Datenbank-Server soll genutzt werden? Wie werden Firmendaten automatisch gesichert? Wie schützt man Server und PCs vor Viren? Das sind alles Beispielaufgaben, die in einem Firmennetzwerk zu klären sind und für die man als Administrator zuständig ist.

Für die praktisch veranlagten IT'ler, die gerne Hardware in der Hand halten und Serverdienste bzw. Clientanwendungen administrieren, ist dieses Berufsfeld optimal geeignet. Aus der eigenen Erfahrung ist dieser Beruf aber nicht immer ganz trivial, da man die vielen Anforderungen in ein Firmennetzwerk zusammenbringen muss. Aber gerade beim Zusammenspiel unterschiedlicher Anwendungen ist nicht immer einfach. Beispiel: Notebook-Anwender sollen sich jederzeit ins Firmennetzwerk einwählen können (Stichwort: VPN, Firewall), von den Multifunktionsgeräten sollen eingescannte Dokumente per Mail versendet (Stichwort: Scan-To-Mail) oder aus Versehen gelöschte Dateien jederzeit wiederhergestellt werden. Für all diese Anforderung muss man eine Lösung anbieten, die auch mit der bereits vorhandenen Umgebung harmoniert. Spannend!

Application Engineer (Programmierer)

Hardware interessiert Dich nur nebenbei? Du liebst logisches und abstraktes Denken? Du interessierst Dich für Webentwicklung, Apps und sogar Anwendungsentwicklung? Dann stehen alle Zeichen auf Programmierer! Entwickler bzw. Programmierer sind sehr gut bezahlt und die Nachfrage nach ihnen ist seit Jahren hoch. Und das wird auch so bleiben und das hat einen Grund. Kaum ein Berufsbild ist so speziell, abstrakt und "trocken" wie das Programmieren. Wer Programmierer ist, ist schon etwas anders. Und das ist gar nicht abwertend gemeint, denn schließlich gehöre ich selbst zu dieser Gattung und arbeite als Application Engineer.

Programmiersprachen zu verstehen und zu beherrschen, Anwendungen umzusetzen und sich am Ende über den produzierten Programm-Code zu freuen: dafür muss man geboren sein. Man kann es mit der Zeit in der Schule vergleichen: nicht jedem liegt Mathematik, da es zu pragmatisch und trocken ist. Programmierer sind die Personen, die im Mathematik-Leistungskurs gelangweilt sitzen und eigene Mathematik-Algorithmen entwickeln. Die Spaß daran haben, sich in Programmier-Paradigmen einzuarbeiten und den Code wieder und wieder zu optimieren. Wir Programmierer bzw. die Anforderungen an uns sind schwer zu beschreiben. Festzuhalten aber ist, dass Entwickler so gut bezahlt werden, weil die Anforderungen sehr hoch sind und das Programmieren an sich sehr komplex und abstrakt ist. Man muss das Programmieren also lieben, um in diesem Beruf Spaß zu haben.

Microsoft Gründer
Die Entwickler aus den Microsoft-Anfängen. Unten links ist Bill Gates.
Wir Entwickler sind schon ein spezielles Volk ;-)

Gerade Quereinsteiger kommen schnell an ihre Grenzen. Jeder Hobby-PC'ler hat sich sicherlich einmal an eine Skript- oder Programmiersprache gewagt und auch Ergebnisse hinbekommen. Es gibt viele da draußen, die mit PHP-Skripten einzelne Webanwendungen oder mit Microsoft Excel oder Access kleinere "Programme" auf die Beine gestellt haben. Im kleinen Rahmen funktioniert dies auch. Aber wer professionell an größeren Projekten entwickelt, der fällt mit diesem Wissen gnadenlos auf die Nase. Irgendwann kommt der Punkt, bei dem Frameworks mit klaren Programmierrichtlinien und -konzepten verwendet werden müssen, um komplexe Anwendungen entwickeln zu können. Wem objektorientiertes Programmieren oder das MVC-Modell Fremdwörter sind, ist als Programmierer schlichtweg nicht geeignet.

Ich selbst stand in meiner Berufslaufbahn ebenfalls vor diesen Hürden, denn jeder fängt einmal klein an. Wichtig ist nur, ob es einen Spaß macht, sich in diese abstrakten Themen einzuarbeiten. Hat man Lust darauf, sich mit der 10. Programmier- oder Skriptsprache zu beschäftigen? Mit dem Wissen, dass man in 5 Jahren diese wahrscheinlich nicht mehr brauchen wird? Dass man Nächte, Wochenenden oder heiße Sommertage damit verbringt, den Menüpunkt "Documentation" akribisch zu lesen. Wenn Euch diese Punkte nichts ausmachen, könnt Ihr Eure Entwickler-Karriere problemlos starten...

Spezialist oder Generalist

Was möchte man sein? Der Experte auf einem oder wenigen Gebieten? Oder der Allrounder, der sich mit vielen Themen auskennt. Der diese Themen beherrscht, aber eben nicht der Experte darin ist. Beide Typen haben Vor- und Nachteile:

Spezialist

Wer sich eine längere Zeit auf ein bestimmtes Gebiet (Programmiersprache, Aufgabengebiet) konzentriert, der entwickelt sich über kurz oder lang zu einem Experten. Die Arbeit ist relativ einfach, da man alle Bereiche kennt und man Probleme und Aufgaben aufgrund seiner Erfahrung zügig löst. Man ist der Ansprechpartner für andere und punktet mit seinem Fachwissen. Die Arbeit hat einen festen Rythmus und der sicherheitsorientierte Mensch arbeitet in einem gewohnten Umfeld.

Die Nachteile liegen aber auf der Hand. Die IT befindet sich im stetigen Wandel und es kann sein, dass genau das Fachwissen und somit man selbst nicht mehr gebraucht wird. Außerdem kann es für jemanden langweilig werden, sich sein Leben lang mit ein und demselben Thema zu beschäftigen.

Generalist

Eine andere Strategie (und meine favorisierte) ist die des Generalisten. In seinem beruflichen Werdegang versucht man, Einblicke in unterschiedliche Bereiche kennenzulernen. Das erfordert natürlich mehr Einsatz, da man sich immer wieder in neue Themengebiete einarbeiten muss, die zum Teil komplett neu sind (Stichwort Quereinstieg). Der Vorteil ist, dass man mit der Zeit ein sehr breites Wissen aufbaut, was von Arbeitgebern natürlich gerne gesehen ist. Außerdem bildet es die perfekte Grundlage, wenn man in zunehmenden Alter nicht mehr als "ausführender Fachmann", sondern als leitende Führungsperson arbeiten möchte. Wer dann auf ein breites Fachwissen zurückgreifen kann, der macht nicht nur bei seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten Eindruck, sondern kann Entscheidungen auch aufgrund eigener Erfahrungen treffen.

Ein Allrounder birgt auch einige Nachteile. So wird er sich kaum so tief in Themen einarbeiten können, um als "der Fachmann auf diesem Gebiet" zu gelten. Er wird also nie zu den besten auf einem Gebiet gelten. Wie bereits angesprochen muss er immer wieder Zeit und Energie investieren, um sich das neue Wissen anzueignen. Regelmäßiges Lernen, Lesen und Ausprobieren gehört zu seinem festen Bestandteil. Und dann ist da immer ein Stück Ungewissheit: schaffe ich den Quereinstieg oder bin ich auf dem neuen Terrain schnell überfordert?

Regionales Jobangebot

Eine wichtige Entscheidung bei der Berufswahl ist natürlich auch das regionale Angebot. Es gibt Regionen in Deutschland, die überdurchschnittlich viele Stellenangebote aus dem IT-Umfeld anbieten. Hamburg ist ein gutes Beispiel, da sich hier viele IT-Startups und Firmen mit Bedarf an IT-Fachkräften tummeln. Dies war unter anderem auch ein Grund für mich, dass ich vor einigen Jahren den Schritt aus dem nordhessischen Kassel nach Hamburg gewagt habe. Ein Blick in die IT-Stellenangebote bei Stepstone bestätigt diesen Schritt, da Hamburg (5400 Stellenangebote) im Vergleich zu Kassel (290 Stellenangebote) ein Schlaraffenland in Puncto IT-Jobs ist.

Für Web-Entwickler sieht es in Kassel ziemlich schlecht aus: von den 16 angeblichen Angeboten, ist kein einziges für einen Web-Entwickler.In Hamburg gibt es zahlreiche Stellenangebote für einen Web-Entwickler. Hier herrscht eher ein Angebotsüberfluss und man hat die Qual der Wahl.

 

Wer noch nicht weiß, in welche Region es ihn schlagen wird, dem sei ein Blick in den Fachkräfte-Atlas zu empfehlen. Mittels interaktiver Karte kann man sehen, wie stark die Nachfrage nach bestimmten Fachkräften in dem jeweiligen Bundesland ist:

 

Fachkräfte-Atlas

Gehaltsspiegel

IT-Berufe unterscheiden sich auch stark in den bezahlten Gehältern, die Arbeitgeber Ihren Mitarbeiter zahlen. Hierbei gilt: je schwieriger das Aufgabengebiet, je mehr Fachwissen benötigt wird, desto höher das Jahresgehalt. Hier zeigt sich einmal wieder, dass Anwendungsentwickler, sprich Programmierer, zu den bestbezahltesten IT'ler gehören. Helpdesk-Mitarbeiter hingegen verdienen fast die Hälfte im Vergleich zum Programmierer-Kollegen.

Beruf Einstiegsgehalt in Euro
Helpdesk (1st, 2nd Level) Diagrammbalken30.000
Anwendungsentwickler Diagrammbalken44.000
IT-Consultant Diagrammbalken40.000
Systemadministrator Diagrammbalken36.000
Webentwickler Diagrammbalken38.000
Die vollständige IT-Gehaltsliste findet man hier.

Aber auch regional unterscheiden sich die Gehälter stark. Neben dem bekannten West-Ost-Gefälle gibt es auch regionale Unterschiede. Nicht überall werden IT-Fachkräfte stark nachgefragt:

Gehälter nach Bundesländern
Was sind die meist bezahlten Berufe in den einzelnen Bundesländern?
Hier geht es zur interaktiven Info-Grafik.

Ausbildung, Studium oder Autodidakt?

Soll ich eine Ausbildung starten oder sofort studieren? Brauche ich überhaupt eine Ausbildung oder reicht es nicht aus, meine Ergebnisse als Hobby-Hacker vorzuzeigen? Brauche ich Zertifikate wie MCSE, LPIC oder dergleichen? Allgemeine Antworten findet man sicherlich zahlreich im Internet oder den Infoveranstaltungen. Ich versuche Antworten aus der Praxis zu liefern:

Ich habe mit einer klassischen Berufsausbildung zum Fachinformatiker-Systemintegration begonnen und mich dann während meines ersten Jobs freiwillig weitergebildet. Herausgekommen sind die Zertifikate zum Linux LPIC und MySQL CMA. Anschließend entschloss ich mich zu einem berufsbegleitendem Studium, welches ich über 4 Jahre neben meinem Beruf durchführte. In dieser Zeit wechselte ich zwei mal meinen Arbeitgeber.

Meine Erkenntnis aus den Bewerbungsgesprächen ist, dass die Berufsausbildung und das Studium die Basis darstellen, auf der alles aufbaut. Ohne Ausbildung oder Studium wird es schwer, einen Arbeitgeber zu finden, denn es zeigt, dass man einen soliden Lebensweg eingeschlagen und dass man die Aufgaben, Anforderungen und Hürden gemeistert hat. Dies signalisiert dem Arbeitgeber: "Hey, der Junge hat sich strukturiert durch die schulischen Anforderungen gekämpft. Dann wird er sich auch durch die Anforderungen im Berufsleben kämpfen". Die Ausbildung bzw. das Studium ist demzufolge der "Türöffner" zum Bewerbungsgespräch.

Das ist aber nur die halbe Miete. Der zweite, sehr wichtige Teil ist die fachliche Projekterfahrung. Vereinfacht gesagt: hat der Bewerber schon mit den Techniken gearbeitet, die in dem Stellenangebot gefordert werden? Das ist das A und O, denn wer bereits praktische Erfahrung mitbringt, der nimmt dem Arbeitgeber die Unsicherheit. Ein MySQL-Zertifikat ist nicht einfach zu bestehen, aber es bestätigt nicht, dass man MySQL auch wirklich beherrscht. Wer aber nachweisen kann, dass er MySQL-Datenbanken administriert hat, der punktet beim Arbeitgeber.

In meinem Lebenslauf konnte ich bereits mehrfach eine solche Erfahrung machen. Der ausschlaggebende Punkt für meine Entwickler-Stelle für ein Online-Portal war, dass ich PC-Erfahrung.de eigenständig entwickle. Eine bessere Bewerbung auf diese Stelle gibt es einfach nicht. In einem weiteren Bewerbungsgespräch hat sich mein Arbeitgeber schlussendlich dann für mich entschieden, als ich das Notebook auf dem Tisch aufklappte und einige meiner Projekte live anhand des Quellcodes vorstellte. Das waren letztendlich die ausschlaggebenden Punkte, mit denen ich die Arbeitgeber überzeugen konnte.

Fassen wir also zusammen: Schulausbildung, Berufsausbildung oder Studium bilden die Grundlage. Überzeugende Punkte liefert man mit praktischen Erfahrungen (sei es berufliche oder private Projekte).

Langfristig denken: Was ist ab 50?

Kaum eine Branche unterliegt einem schnellen und kontinuierlichem Wandel wie die IT-Branche. Der Druck bei den Firmen ist groß, den digitalen Zug nicht zu verpassen, was implizit an die IT-Mitarbeiter weitergegeben wird. Diese müssen sich ständig fortbilden, neue Techniken lernen und immer auf dem aktuellsten Stand bleiben. Wissen, dass man sich vor 3-5 Jahren angeeignet hat, ist bereits wieder veraltet. Wer hat vor einigen Jahren an den Siegeszug von Apps gedacht? Apps sind heute kaum wegzudenken und die Anforderung an einen modernen Entwickler ist, dass er mindestens Anwendungen für iOS oder Android schreiben kann.

IT-Berufe erfordern stetiges Weiterlernen und der Zyklus neuer Techniken scheint immer kürzer zu sein. Somit muss man für sich entscheiden, wo man im Alter von 40, 50 oder 60 stehen möchte. Unwahrscheinlich, dass man im Alter von 60 durchzechte Programmierernächte mitmachen kann oder möchte. Hier sollte man seine Berufslaufbahn so steuern, dass man mit zunehmenden Alter weg vom Fachspezialisten hin zur erfahrenen Führungsperson geht. Kurz gesagt: wo finde ich eine ruhige Nische, wenn ich einmal älter bin.

Fazit

Ich hoffe, ich konnte Euch einen Einblick über die Arbeitswelt in der IT-Branche geben und etwas Hilfestellung leisten. Bei Rückfragen oder Feedback nutzt bitte das Forum www.pce-forum.de.