Job in der IT-Branche - Worauf es beim Vorstellungsgespräch wirklich ankommt

Wer in den Startlöchern seines Berufslebens steht oder einen Quereinstieg in die IT aus einer komplett anderen Berufsbranche in Erwägung zieht, der spult wahrscheinlich in seinen Gedanken und Überlegungen das Programm ab, was Lehrer, Eltern, Bekannte usw. einem immer gepredigt haben: wer einen gutbezahlten Job haben möchte, der muss mit guten Noten, einer soliden Ausbildung oder Studium, einem Haufen Zertifikate und Berufserfahrung mittels diverser Praktika überzeugen. Die allgemeine Meinung ist, dass man eine klassische Ausbildung benötigt, wie man es aus altbekannten Berufsgruppen wie dem Handwerk kennt. Klar, ein Elektriker trägt eine hohe Verantwortung und ohne Ausbilung bzw. einer ausreichenden Erfahrung wäre er nicht befugt, eigenständig eine Elektroinstallation vorzunehmen.

Bewerbung als Quereinsteiger

In der IT-Branche ist es etwas anders. Einerseits gibt es auch in der IT Stellenangebote, die zwingend eine bestimmte Qualifikation/Ausbildung voraussetzen, weil beispielsweise der Arbeitgeber Dienstleistungen nach einer ISO-Zertifizierung anbietet und ausgebildete Mitarbeiter benötigt. Andererseits behaupte ich an dieser Stelle, dass der Großteil der aktuellen Generation von Senior Software Entwicklern und Administratoren dem Bereich Quereinsteiger, Autoditakten und "fremd qualifizierte" zuzuordnen sind. Der Grund hierfür ist relativ einfach, denn vor 20 bis 30 Jahren war das Angebot von passenden Ausbildungsberufen gering bis nicht vorhanden. Die langjährig erfahrenen IT-Professionals haben sich die benötigte Berufsqualifikation eher im privaten Bereich oder gezwungenermaßen im Beruf, weil im Unternehmen keine IT vorhanden war, angeeignet. Und die Ergebnisse zeigen, dass es so funktionieren kann.

Ich habe mittlerweile zahlreiche Vorstellungsgespräche - sowohl aus Sicht des Arbeitnehmers als auch Arbeitgebers - miterleben dürfen und möchte in diesem Artikel meine Erfahrungen teilen, worauf es bei IT-Jobs wirklich ankommt.

Zeugnisse, Gute Noten, Studium sind Türöffner - mehr nicht

Wer gute Noten oder ein erfolgreiches Studium vorweisen kann, der punktet beim so wichtigen ersten Eindruck. Wer dies nicht vorweisen kann, sollte sich aber nicht entmutigen lassen, denn aus dem Blick eines Personalverantwortlichen zeigt es lediglich, dass die Person sich in bestimmte Bereiche gut einarbeiten kann, gut organisiert und fleißig/fokusiert ist. Ich habe selbst (nebenberuflich) studiert und den Bachelor of Arts - Wirtschaftsinformatik erfolgreich abgeschlossen. Nur ein Bruchteil des Lernstoffs hatte einen direkten Bezug zu meiner heutigen Tätigkeit als Application Engineer. Viel mehr habe ich gelernt:

  • Arbeite Dich in fremde Themenbereiche ein, von denen Du keine Vorkenntnisse hast (Arbeitsrecht, VWL, Marketing, usw.)
  • Fokussiere Dich auf Deine Ziele. Am Ende zählt die Note bei der Prüfung zum Semester-Ende. Wie Du dorthin kommst, ist Dir überlassen.
  • Organisiere und strukturiere Dich. Nur man selbst weiß, wie man am besten lernt und Erfolge erzielt. Beispiel: muss man wirklich jede Vorlesung mitnehmen? Lerne ich morgens oder Abends am besten?
  • Sei selbstbewusst. "Sicheres Auftreten bei völliger Unwissenheit" ist vielleicht etwas übertrieben, aber wie oft musste ich eine Hausarbeit oder Abschlussarbeit meinem Dozenten bzw. der Gruppe präsentieren und vor allem bei Rückfragen verteidigen. Nicht immer einfach, wenn man einen Profi (Dozent, Professor) vor sich sitzen hat.
  • Lernen, aus einer unendlich wirkenden Informations-Wolke die benötigten Informationen herauszuarbeiten. Natürlich unter Zeitdruck.
  • Team-Building. Einzelkämpfer im Studium haben es schwer.
  • Durchhaltevermögen. Ein Studium kann auch trocken sein oder Themen liegen einem überhaupt nicht.

Um diese Fähigkeiten zu erlernen, hätte ich auch Medizin studieren können. Personal-Verantwortliche sehen in einem Studium vor allem die "allgemeinen Skills", die für das Berufsleben immens wichtig sind. Vor allem in jungen Jahren sind gute Schul-/Ausbildungszeugnisse oder sogar ein Studium Türöffner, dass die Bewerbung überhaupt in die engere Auswahl kommt.

Zeig, dass Du Technik liebst

Standard-Software vs. Eigenentwicklung? Ich habe so viele Projekte erlebt, wo die Vorteile einer Standard-Software gepredigt wurden und man letztendlich die Unternehmensprozesse an den Standard anpassen musste. Nach Projekteinführung stellt man fest, dass man kein einfaches Unternehmen ist und dann kommt immer wieder die Argumentation, dass man "keine Schrauben produziere, dessen Prozess einfach abgebildet werden kann". Das Ende vom Lied: die Standard-Software wird angepasst, d.h. Eigenentwicklung kommt doch wieder zum Einsatz.

Tipp
Bist Du im privaten Bereich technik-interessiert, entwickelst beispielsweise an einem Hobby-Projekt oder konfigurierst eigene Hardware-Projekte? Sehr gut, denn somit zeigst Du Deinem zukünftigen Arbeitgeber, dass Du Spaß an dem Aufgabengebiet hast. Und bekanntlich gibt es nichts besseres, wenn man sein Hobby zum Beruf macht.

Was ich an dieser Stelle verdeutlichen möchte ist, dass in der IT, vor allem in der Software-Entwicklung, die Problemstellungen und Lösungen so spezifisch und individuell sind, dass es keine pauschalen Antworten und Lösungen gibt. Eigentlich sind wir Software-Entwickler gar nicht so pragmatisch veranlagt, sondern sind kreative Künstler. Wie programmiere ich die Anforderung? Welche Sprache? Welche Libraries? Oder vielleicht nutze ich einen Cloud-Service und programmiere nur Teilbereiche? Oder ich überdenke zusammen mit dem Auftraggeber die Anforderungen, so dass komplexe Bereiche gar nicht erforderlich sind. Die Möglichkeiten sind unendlich.

Wenn Du die Technik und Aufgaben Deines zukünftigen Job liebst, zeig es Deinem zukünftigen Arbeitgeber. Du liebst es, Dein zu Hause in eine Multimedia-Station zu verwandeln? Fernseher, Smartphones, Tablets sind miteinander vernetzt? Backups Deiner Video-/Fotosammlung laufen vollautomatisiert, weil Du vor einem Worst Case Szenario (Diebstahl, Brand o.ä.) geschützt sein möchtest? Alexa ist nicht nur ein Name, sondern Du hast schon einen eigenen Service dafür entwickelt?

Wenn Du mit einer solchen Geschichte ins Bewerbungsgespräch gehst, punktest Du mehr als mit einem  Studium.

Flexibilität: der Werkzeugkasten ändert sich regelmäßig und rasend schnell

Frag einen erfahrenen Administrator oder Software-Entwickler, ob er noch Techniken aus seinen Anfängen verwendet. Wahrscheinlich nein, denn gefühlt beschäftigen wir uns alle 6 Monaten mit einer neuen Programmiersprache, REST-APIs werden nicht mehr selbst entwickelt, sondern über Cloud-Services konfiguriert und Mail-Server stehen nicht mehr im eigenen Rechenzentrum, sondern das klassische Mailing wird als Software-as-a-Service (SaaS) in der Cloud betrieben. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sich die Werkzeuge regelmäßig ändern, Flexibilität und lebenslanges Lernen erforderlich sind.

In der Praxis gehen Unternehmen das Risiko ein, jemanden ohne Erfahrung für ein bestimmtest Projekt einzustellen. Voraussetzung ist, dass derjenige nachweisen kann, dass er sich eigenständig in neue Themengebiete einarbeiten kann. Die benötigte Einarbeitungszeit nimmt man gerne in Kauf, wenn anschließend ein neuer Experte im Unternehmen vorhanden ist.

Was für einen unerfahrenen Neueinsteiger spricht:

  • Flexibel: er ist offen für neues
  • Neugier: er möchte noch vieles kennenlernen und bereit, auch themenfremde Aufgaben zu übernehmen

Was gegen einen erfahrenen Senior spricht:

  • Setzt auf Altbewährtes. Nach dem Motto: "ich habe viel erlebt und weiß, was am besten ist".
  • Hat vielleicht hohe Ansprüche und möchte nicht mehr jede Aufgabe machen

Private Fortbildungen / Online Seminare

Projekte im privaten Umfeld umzusetzen zeigt, dass man eigenverantwortlich und selbständig arbeitet. Aber nicht immer bieten sich Möglichkeiten, ein passendes Projekt im privaten Umfeld umzusetzen, welches zur gewünschten Arbeitsstelle passt. Aber hier kann man auch kreativ werden. Ich habe bereits erlebt, dass ein Bewerber die Zeit nach seinem Schulabschluss dazu genutzt hat, mit Schulkameraden eine kleine Webagentur zu gründen und erste Webauftritte aufzusetzen und zu betreuen. Hier konnte er zeigen, dass er die Aufgabenstellungen in der Webentwicklung, eigenständiges Arbeiten und erstes Unternehmertum gemeistert hat. Auch wenn die Webagentur gescheitert wäre, so ist es aus Sicht eines Arbeitgebers beeindruckend, wenn sich jemand vorab intensiv mit dem späteren Aufgabengebiet beschäftigt.

Aber man muss nicht gleich ein eigenes Unternehmen gründen, um sich auf eine Arbeitstelle zu bewerben. Eine gute Alternative sind Fortbildungen und Online-Seminare, bei denen sich der Bewerber auf die Stellenanforderungen vorbereitet. Für Software-Entwickler sind Programmierer Kurse zu empfehlen. Hierbei werden die Programmierkenntnisse zu einem bestimmten Themengebiet (bswp. Android APP Entwicklung) über mehrere Wochen und Monate vermittelt.

Dabei werden gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche erschlagen

  • Der Arbeitgeber spart Kosten, weil der Arbeitnehmer in dem gewünschten Themengebiet bereits Erfahrungen hat
  • Der Arbeitnehmer merkt während des Kurses, ob ihm das Themengebiet auch wirklich liegt

Letztendlich kommen wir immer wieder auf diesen Punkt zurück: zeig, dass Du Dich mit dem Thema beschäftigst und es Dir Spaß macht, dann ist der Arbeitgeber dazu bereit ein Risiko einzugehen, weil er Dich langfristig zu einem richtigen Profi weiterentwickeln kann.

Sicheres und kommunikatives Auftreten

IT-Experten sind Dienstleister. Wir entwickeln oder administrieren Programme und Services, die externe oder interne Stakeholder nutzen, um ihre Arbeit zu vollrichten oder öffentliche Anwendungen zu publizieren. Vor allem Administratoren dienen einem Unternehmen und unterstützen Mitarbeiter bei ihren Prozessen. Wir unterstützen mit moderner Technik und vereinfachen Arbeitsabläufe. Wir produzieren keine Produkte, die später im Handel in den Regalen landen und die Arbeitsleistung anhand der Verkaufszahlen gemessen werden kann.

Grundsätzlich lässt sich die Arbeitsleistung eines IT-Experten oftmals schwer messen. Zum einen agieren wir wie eine Art Blackbox ("Was macht der Kollege da denn ganzen Tag am PC") und zum anderen lassen sich die abgeschlossenen Projekte nicht immer anhand von Kennzahlen bewerten.

IT'ler müssen oftmals keine Produkte verkaufen, um Umsatz zu generieren. Sie müssen aber ihre Arbeit und sich selbst gut verkaufen (sprich präsentieren), um ihre komplexen Aufgaben dem Technik-Laien transparent darstellen zu können.

Daher ist eine Fähigkeit auch bei Software-Entwicklern und Adminstratoren extrem wichtig: Kommunikation. Wir müssen tagtäglich erklären, woran wir arbeiten, was die Problemstellung ist und warum wir entsprechende Entscheidungen treffen. Die Zielgruppe sind vereinfacht gesagt "Technik-Laien". Jemand, der extrem gut programmieren kann, wird keinen guten Stand im Unternehmen haben, wenn er dies nicht sicher und verständlich gegenüber seinen Stakeholder formulieret.

Wenn ich die Entscheidung zwischen einem

  • Entwickler-Guru, der aber ein Eigenbrödler ist
  • Anfänger mit Potential, der kommunikativ stark und ein sympathisches Auftreten hat

entscheiden müsste, würde ich letztere Option wählen. Also lasst Euch nicht entmutigen, wenn die geforderten Anforderungen einer Stellenbeschreibung

Fazit

IT'ler müssen nicht zwingend die ausergewöhnlichen Technik-Nerds sein oder jahrelange Berufserfahrung mit sich bringen. Der Markt ist zum heutigen Stand eher ein Arbeitnehmer-Markt und die Unternehmen suchen händeringend nach IT-Experten. Sie gehen daher durchaus das Risiko ein, unerfahrene Quereinsteiger einzustellen. Voraussetzung aber ist, dass die Bewerber ein sympathisches und souveränes Auftreten mit sich bringen und zeigen können, dass sie sich für die Aufgaben grundsätzlich interessieren. Wer dann noch mit privaten Projekten oder Fortbildungen punkten kann, hat gute Chancen auf einen Job in einem zukunftsträchtigen und abwechslungsreichen Beruf.

  • Überzeuge mit Deiner sympathischen Art. Kommunikation ist in der IT wichtig.
  • Zeige, dass Dir Technik, Hardware, Software-Entwicklung o.ä. Spaß macht
  • Sei Dein Leben lang flexibel. Anforderungen und Techniken wechseln regelmäßig